Cannabis- Legalisierung ab 1. April 2024- Was gilt im Straßenverkehr?

Derzeit wird im Straßenverkehr ein sehr niedriger Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC

pro Milliliter Blutserum als Grenzwert für Cannabis angewandt.

Bis auf weiteres ändert sich daran auch durch den Beschluss der Legalisierung von Cannabis nichts.

Allerdings sieht das jetzt beschlossene Gesetz vor, dass eine Experten Arbeitsgruppe bis zum Frühjahr

2024 neue THC- Grenzwerte für das Führen von Kraftfahrzeugen ermitteln soll. Der ADAC , aber auch

zahlreiche Fachleute für Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht in Deutschland, empfehlen die

Anhebung des momentan erlaubten THC-Wertes im Blut, weil sie der Auffassung sind, dass

der THC-Grenzwert mit 1,0 Nanogramm THC so gering ist, dass dadurch lediglich Cannabis-Konsum

nachgewiesen werden kann, allerdings daraus kein zwingender Rückschluss auf eine

verkehrssicherheitsrelevante Wirkung erfolgen könne.

Fazit: Allein durch die jetzt beschlossene Legalisierung von Cannabis, ändert sich im Straßenverkehr nichts. Drogen im Straßenverkehr sind und bleiben verboten. Ab 1 Nanogramm THC- im Blut drohen Bußgelder, Fahrverbote und Punkte in Flensburg:

  • Für Ersttäter 500 €, 2 Punkte, 1 Monat Fahrverbot
  • Wiederholungsfall (Alkohol-oder Drogenfahrt) 1000 €, 2 Punkte, 3 Monate Fahrverbot
  • bei Vorliegen mehrerer einschlägiger Alkohol-oder Drogenfahrten: 1500 €, 2 Punkte,3 Monate Fahrverbot

 In allen oben genannten Fällen ist mit der Anordung einer MPU durch die Fahrerlaubnisbehörde zu rechnen.

Zivilrechtlich und versicherungsrechtlich müssen Sie im Fall einer Drogenfahrt mit folgenden Konsequenzen rechnen:

  • Eine Mithaftungsquote, wenn sich der Drogenkonsum auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hat
  • Regress durch die Haftpflichtversicherung bis zu 5000 €
  • Zahlungsverweigerung durch eigene Vollkaskoversicherung

Wer eine Drogenfahrt begangen hat sollte vor Ort bei der Polizei von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und sich umgehend juristisch beraten lassen.

 

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Verkehrsrecht

62.Deutscher Verkehrsgerichtstag 24. bis 26. Januar 2024 in Goslar – unsere Expertin war dabei.

Bundesjustizminister Buschmann hat bereits kurz vor Ostern letzten Jahres 2023,
in einem Papier des Ministerium, seine Pläne zur Herabstufung des bisherigen Strafdelikts Unfallflucht
zu einer Ordnungswidrigkeit, vorgestellt. Dies soll allerdings nur für Fallkonstellationen mit reinem Sachschadens gelten, 
sobald Personen verletzt werden, soll es bei der Einstufung der Unfallflucht als Straftat bleiben.

Die rund 1.400 Experten des jährlichen Verkehrsgerichtstages in Goslar, zu denen auch
unsere ADAC- Vertragsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht, Rechtsanwältin Pia-Alexandra Kappus
gehört, haben in  einer Empfehlung des damit befassten Arbeitskreises, den Plänen des Bundesjustizministers
eine Absage erteilt und dezidierte Expertenvorschläge für eine praxisgerechte Reformierung
der gesetzlichen Unfallfluchtregelung gemacht.

Der Presseveröffentlichung des 62. Deutschen Verkehrsgerichtstages ist dazu folgendes zu entnehmen:

EMPFEHLUNG-Arbeitskreis V

Weniger Strafe bei Unfallflucht?

1. Der Arbeitskreis ist einheitlich der Auffassung, dass die Vorschrift des unerlaubten Entfernens
vom Unfallort (§ 142 StGB) reformiert werden sollte. Angesichts der Komplexität der Vorschrift
sind Verkehrsteilnehmer und Geschädigte vielfach überfordert.
Der Arbeitskreis empfiehlt, die Vorschrift im Hinblick auf die Rechte und Pflichten verständlicher
und praxistauglicher zu formulieren.

2. Der Arbeitskreis ist mit großer Mehrheit der Ansicht, dass auch nach Unfällen mit Sachschäden
das unerlaubte Entfernen vom Unfallort weiterhin strafbar bleiben soll.
Eine Abstufung solcher Fälle zur Ordnungswidrigkeit wird abgelehnt.

3. Der Arbeitskreis empfiehlt mit großer Mehrheit die Festlegung einer Mindestwartezeit.

4. Der Arbeitskreis empfiehlt mit großer Mehrheit, dass Unfallbeteiligte ihren Verpflichtungen
am Unfallort bzw. den nachträglichen Mitwirkungspflichten auch durch Information bei einer einzurichtenden,
zentralen und neutralen Meldestelle nachkommen können. Bei dieser sind die für die Schadensregulierung
notwendigen Angaben zu hinterlassen.

5. Der Arbeitskreis empfiehlt mehrheitlich erneut, die Voraussetzungen der tätigen Reue in
§ 142 Abs. 4 StGB zu ändern:
a) Die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs soll entfallen.
b) Tätige Reue soll bei jeder Unfallflucht innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall
möglich sein.
c) Die Freiwilligkeit der nachträglichen Meldung bei der tätigen Reue sollte beibehalten
werden.
d) Tätige Reue soll zur Straffreiheit führen.

6. Der Arbeitskreis ist mehrheitlich der Ansicht, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort
bei Sachschäden nicht als Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis geeignet ist.
Er empfiehlt deshalb, die Regelvermutung in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auf die Fälle zu
beschränken, bei denen ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden ist.

Bundesgerichtshof entscheidet zum Werkstattrisiko

Der Bundesgerichtshof hat in seinen beiden neuesten Entscheidungen zum Werkstattrisiko die Rechte des  Verkehrsunfall- Geschädigten auf vollständige Zahlung der Werkstattreparaturrechnung gestärkt, unabhängig davon ob die Haftpflichtversicherung des Schädigers Einwendungen gegen die Höhe der Werkstattrechnung erhebt.

Beim Werkstattrisiko geht es um die Frage, wer bei einer Unfallreparatur in einer Werkstatt das Risiko trägt, dass die Reparatur teurer wird als nach dem Gutachten zunächst angenommen oder die Werkstatt eine aus Sicht der Haftpflichtversicherung des Schädigers zu hohe Rechnung stellt.

Der BGH hat bereits 2022 ein Grundsatzurteil dazu gefällt und bestätigt, dass nicht der Geschädigte, sondern  der Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversicherung) das sogenannte Werkstattrisiko zu tragen hat.  Der Geschädigte erhält also von der gegnerischen Versicherung den vollen Rechnungsbetrag der Werkstatt erstattet, wenn er die Rechnung bereits gezahlt hat und muss im Gegenzug seine Ansprüche gegenüber der Werkstatt an die gegnerische Versicherung abtreten, damit die gegnerische Versicherung weiter rechtlich mit der Werkstatt über die berechtigte Rechnungshöhe streiten und den angeblich unberechtigten Betrag zurückverlangen kann.

Heute hat der BGH in zwei Sonderfällen entschieden.

VI ZR 239/22

Die Geschädigte beauftragte die Klägerin, eine Kfz-Werkstatt, auf der Grundlage eines zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens mit der Reparatur des Unfallfahrzeugs. Die Klägerin stellte der Geschädigten 5.067,15 € in Rechnung, woraufhin ihr die Geschädigte ihren Ersatzanspruch gegen den Unfallverursacher erfüllungshalber abtrat. Der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers erstattete die Kosten der Reparatur bis auf die Position „Arbeitsplatzwechsel“ i. H. v. 227,31 €. Er wendet ein, dass ein Arbeitsplatzwechsel tatsächlich nicht durchgeführt worden sei, weil die Klägerin selbst über eine Lackiererei verfüge und deshalb Verbringungskosten nicht angefallen seien.

Das Amtsgericht hat der Klage aus abgetretenem Recht auf Zahlung der restlichen 227,31 € stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Haftpflichtversicherers hat das Landgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

VI ZR 253/22

Die klagende Geschädigte ließ das Unfallfahrzeug in einem Autohaus instand setzen. Der durch das Autohaus hierfür in Rechnung gestellte Betrag wurde von ihr noch nicht beglichen und von dem beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallgegners nur zum Teil erstattet. Die mit der Klage geltend gemachte offene Differenz beträgt 1.054,46 €. Die Beklagte verwies auf einen Prüfbericht eines Drittunternehmens, der um diesen Betrag geringere Reparaturkosten ausweist.

Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten zur Höhe der objektiv erforderlichen Reparaturkosten eingeholt und auf dieser Basis die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere Reparaturkosten in Höhe von 389,23 EUR zu zahlen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin Erstattung der weiteren Reparaturkosten in Höhe von 665,23 €, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche auf Schadensersatz gegen das Autohaus aufgrund möglicherweise überhöhter Abrechnung.  (aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 136/2023)

Wie der Bundesgerichtshof in diesen beiden Fällen entschieden hat, ergibt sich aus der Presserklärung Nr. 007/2024, des BGH vom 16.1.2024

Urteile vom 16. Januar 2024 – VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22 und VI ZR 51/23

„Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist berechtigt, sein beschädigtes Fahrzeug zur Reparatur in eine Werkstatt zu geben und vom Unfallverursacher den hierfür erforderlichen Geldbetrag zu verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB). Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat hat über fünf Revisionen entschieden, in denen sich in unterschiedlichen Konstellationen die Frage stellte, wer das Risiko trägt, wenn der Unfallverursacher einwendet, die von der Werkstatt gestellte Rechnung sei überhöht (sog. Werkstattrisiko).

Schon nach bisheriger Rechtsprechung liegt das Werkstattrisiko grundsätzlich beim Schädiger. Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl- oder Überwachungs-) Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind. In einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann. Nicht erfasst vom Werkstattrisiko sind Reparaturen, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mit ausgeführt worden sind. Der Geschädigte trägt daher die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein und die Unfallbedingtheit der jeweiligen Fahrzeugschäden.

Der Senat hat nunmehr klargestellt (VI ZR 253/22), dass das Werkstattrisiko nicht nur für solche Rechnungspositionen greift, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Ansätze von Material oder Arbeitszeit überhöht sind. Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind vielmehr auch diejenigen Rechnungspositionen, die sich auf – für den Geschädigten nicht erkennbar – tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen. Denn auch insofern findet die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre statt. Soweit der Schädiger das Werkstattrisiko trägt, verbietet sich im Schadensersatzprozess zwischen Geschädigtem und Schädiger mangels Entscheidungserheblichkeit eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten.

Der Senat hat ferner entschieden (VI ZR 51/23), dass der Geschädigte bei Beauftragung einer Fachwerkstatt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt. Er ist daher nicht gehalten, vor der Beauftragung der Fachwerkstatt zunächst ein Sachverständigengutachten einzuholen und den Reparaturauftrag auf dieser Grundlage zu erteilen. Aber auch wenn der Geschädigte ein Sachverständigengutachten einholt und die Auswahl des Sachverständigen der Werkstatt überlässt („Schadensservice aus einer Hand“), führt allein dies nicht zur Annahme eines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens.

Die Anwendung der Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Soweit der Geschädigte die Reparaturrechnung nicht beglichen hat, kann er – will er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen – die Zahlung der Reparaturkosten allerdings nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen (VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23):

Hat der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt nicht (vollständig) beglichen, ist nämlich zu berücksichtigen, dass ein Vorteilsausgleich durch Abtretung etwaiger Gegenansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Schädiger aus Rechtsgründen nicht gelingen kann, wenn der Geschädigte auch nach Erhalt der Schadensersatzleistung vom Schädiger von der (Rest-)Zahlung an die Werkstatt absieht. Zugleich wäre der Geschädigte durch den Schadensersatz bereichert, wenn er vom Schädiger den vollen von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrag erhielte, gegenüber der Werkstatt aber die Zahlung eines Teilbetrages unter Berufung auf den insoweit fehlenden Vergütungsanspruch oder auf einen auf Freistellung gerichteten Gegenanspruch verweigerte. Demgegenüber wäre der Schädiger schlechter gestellt, als wenn er die Reparatur der beschädigten Sache selbst veranlasst hätte; denn im letzteren Fall hätte er als Vertragspartner der Werkstatt die Zahlung der zu hoch berechneten Vergütung verweigern können.

Aus diesem Grund kann der Geschädigte, der sich auf das Werkstattrisiko beruft, aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht (vollständig) bezahlt hat, von dem Schädiger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten (Rest-)Honorars nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt. Wählt der Geschädigte bei unbezahlter Rechnung hingegen Zahlung an sich selbst, so trägt er und nicht der Schädiger das Werkstattrisiko. Er hat dann im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht erforderlich sind. Schließlich steht es dem Geschädigten im Rahmen von § 308 Abs. 1 ZPO frei, vom Schädiger statt Zahlung Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der Werkstatt zu verlangen. In diesem Fall richtet sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenüber der Werkstatt eingegangen ist, beschwert ist. Es ist also die Berechtigung der Forderung, von der freizustellen ist, und damit die werkvertragliche Beziehung zwischen Geschädigtem und Werkstatt maßgeblich.

Schließlich hat der Senat entschieden (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22), dass sich die Option des Geschädigten, sich auch bei unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen lässt (Rechtsgedanke des § 399 BGB). Denn der Schädiger hat insoweit ein besonders schutzwürdiges Interesse daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibt. Allein im Verhältnis zu diesem ist nämlich die Durchführung des Vorteilsausgleichs in jedem Fall möglich, weil der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und die im Wege des Vorteilsausgleichs abzutretenden (etwaigen) Ansprüche gegen die Werkstatt in einer Hand (beim Geschädigten) liegen. Im Ergebnis trägt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko.“

Fazit:

Für Sie als Geschädigter bedeuten die neuen Entscheidungen in der Praxis, dass Sie sich im Zweifel bei der Unfallreparatur nicht für eine fiktive Abrechnung des Schadens, ohne Reparatur entscheiden sollten, sondern für eine Reparatur in der Werkstatt. Wenn Sie den Unfallschaden vollständig in einer Reparaturwerkstatt  beseitigen lassen, kann die gegnerische Haftpflichtversicherung Ihnen als Geschädigten keine Abzüge bezüglich bei der Höhe der Reparaturkosten entgegenhalten.

Die Haftpflichtversicherung des Schädigers muss die Reparaturkosten der Werkstatt, sofern sie dem Sachverständigengutachten entsprechen, in voller Höhe an den Geschädigten zahlen, wenn der Geschädigte im Gegenzug etwaige Regressansprüche gegen die Werkstatt an die Haftpflichtversicherung des Schädigers abtritt. Dann kann ein Streit über die berechtigte Höhe der Werkstattkosten zwischen der Haftplicht des Schädigers und der Werkstatt weitergeführt werden , ohne dass der Geschädigte dadurch belastet wird.

 

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Verkehrsrecht

ADAC- Vertragsanwältin

 

Gebrauchtwagenkauf: OLG Stuttgart zum Kauf eines „Bastlerfahrzeugs“

Hiermit möchten wir Sie über eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart informieren, die für Käufer von Gebrauchtwagen von Interesse sein kann. Das Urteil betrifft die kaufrechtliche Gewährleistung und hat weitreichende Konsequenzen für Käufer und Verkäufer. Wir erklären Ihnen, was es mit diesem Urteil auf sich hat und welche Auswirkungen sich für Ihren Fall ergeben können.

 

Gewährleistung bei Gebrauchtwagenkäufen: Welcher Sachverhalt liegt zugrunde?

 

Im durch das OLG entschiedenen Fall hatte ein Privatmann von einem Gebrauchtwagenhändler ein gebrauchtes Fahrzeug gekauft. Laut Kaufvertrag befand sich dieses im Zustand eines „Bastlerfahrzeugs“. Außerdem war vermerkt worden, dass der Käufer das Fahrzeug im Rahmen einer Probefahrt besichtigt hatte und den Zustand ausdrücklich gebilligt hatte.

Nach einiger Zeit stellten sich jedoch einige Mängel ein. Das Fahrzeug ruckelte im normalen Betrieb und war somit nicht mehr fahrbereit. Dieses Problem wollte zunächst der Verkäufer beheben, weswegen sich das Fahrzeug im weiteren Verlauf drei Mal in seiner Werkstatt befand. Doch auch nach dem dritten Reparaturversuch stellte sich keine Besserung der Probleme ein. Stattdessen hatten diese sich in ihrer Erscheinungsform nur verändert.

Schließlich trat der Käufer vom Kaufvertrag zurück und verlangte vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises abzgl. Eines Wertersatzes für die schon zurückgelegten Kilometer Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs.

Der Verkäufer verweigerte jedoch jegliche Anspruchserfüllung und berief sich darauf, dass das Fahrzeug sich eben – wie geschuldet – im Zustand eines Bastlerfahrzeugs befinde, sodass schon kein Mangel im Rechtssinne bestünde. Außerdem sei jedenfalls ein Gewährleistungsausschluss erfolgt, sodass kein Rücktrittsrecht bestanden habe.

 

Gewährleistungsausschluss: Was besagt das Urteil?

 

Das Gericht stellte klar, dass in Fällen von Verbrauchsgüterkäufen Gewährleistungsbeschränkungen vor Mitteilung eines Mangels unzulässig sind. Der Passus im Kaufvertrag, wonach der Käufer den Zustand des Fahrzeugs akzeptiert, wurde als unwirksamer Gewährleistungsausschluss angesehen. Ähnliches galt für die Bezeichnung des Fahrzeugs als „Bastlerfahrzeug“. Das Gericht betonte, dass nicht der Wortlaut der Vereinbarung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Wille der Parteien. In diesem Fall waren beide Parteien davon ausgegangen, dass das Fahrzeug funktionsfähig war, weshalb der Gewährleistungsausschluss nicht galt. Die ausdrückliche Bezeichnung im Kaufvertrag war in diesem Fall also unbedeutend, da mit „Bastlerfahrzeug“ nicht gemeint war, dass das Auto plötzlich fahruntüchtig werden könnte.

 

Mangelhaftes Fahrzeug: Was bedeutet das für Käufer?

 

Das Urteil zeigt, dass Käufer bei Gebrauchtwagenkäufen von Händlern eine starke Rechtsposition innehaben. Diese wurde durch die neue Rechtslage (in Kraft seit dem 01.01.2022) noch einmal verstärkt. Hiernach gelten sehr strenge Anforderungen an die Vereinbarung einer negativ vom Normalzustand abweichenden Beschaffenheit. So muss der Käufer auf jeden einzelnen Mangel vor Vertragsschluss ausdrücklich hingewiesen worden sein. Gewährleistungsausschlüsse sind in Verbrauchsgüterkäufen nur in begrenztem Umfang möglich. Die Verkäufer müssen nachweisen, dass Mängel nicht bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs vorlagen. Dies gibt Käufern mehr Sicherheit und die Möglichkeit, Mängel am Fahrzeug geltend zu machen.

 

Fazit

 

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart betont die starken Rechte von Autokäufern und zeigt, dass Gewährleistungsausschlüsse nicht pauschal gelten. Käufer von Gebrauchtfahrzeugen sollten sich ihrer Rechte bewusst sein und im Falle von Mängeln nicht vorschnell auf Gewährleistungsausschlüsse vertrauen. Die aktuelle Rechtsprechung bietet Schutz und Unterstützung für Käufer, die ein mangelhaftes Fahrzeug erworben haben.

 

Wir hoffen, dieser Beitrag hat Ihnen geholfen, die aktuelle Rechtsprechung zur Gewährleistung bei Gebrauchtwagenkäufen besser zu verstehen. Bei Fragen oder rechtlichen Anliegen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung, damit wir Ihnen bei Ihren Anliegen rund um das Verkehrsrecht behilflich sein können.

Wirtschaftsnobelpreis 2023 geht an Harvard-Professorin Claudia Goldin

Die US-Volkswirtin Claudia Goldin erhält als erste Frau alleine die Auszeichnung des Wirtschaftsnobelpreises.

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist der einzige, der nicht auf das Testament des Dynamit-Erfinder und Preisstifter Herrn Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht. Seit Ende der 1960er-Jahre wird er von der schwedischen Reichsbank gestiftet und wird gemeinsam mit den weiteren Nobelpreisen am Todestag von Herrn Alfred Nobel, dem 10. Dezember, feierlich überreicht.

Frau Claudia Goldin wird für ihre Forschung zur Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt geehrt. Schwerpunkt ihrer Forschung ist die „Aufdeckung der wichtigsten Ursachen für die geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt“.

Im Mittelpunkt der Analysen und Erklärungsmodelle Goldins steht insbesondere, dass die Wahlmöglichkeiten von Frauen auf dem Arbeitsmarkt oft durch Ehe und Verantwortung für Haus und Familie in der Vergangenheit eingeschränkt wurden und weiterhin eingeschränkt werden.

Eines der zentralsten Ergebnisse von Goldins Forschung ist, dass Frauen auf dem globalen Arbeitsmarkt erheblich unterrepräsentiert sind und weniger als Männer verdienen, wenn sie arbeiten.

Das Statistische Bundesamt veröffentliche hierzu am 30.01.2023, dass Frauen im Jahr 2022 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 % weniger als Männer verdient haben und damit eines der EU-Schlusslichter bleibt. Im Jahr 2021 wiesen lediglich Estland (21%) und Österreich (19%) einen noch höheren geschlechtsspezifischen Verdienstabstand als Deutschland auf.

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

Widerrufsjoker Tesla – Fahrzeuge

Ein sehr einfacher Fehler bei der, in Tesla – Kaufverträgen erforderlichen Widerrufsbelehrung, kostet Tesla derzeit viel Geld.

Tesla verkauft seine Fahrzeuge nicht über eine Händlernetz oder über Niederlassungen, sondern überwiegend online oder per Telefon und muss deshalb in den Kaufverträgen den Verbrauchern ein Widerrufsrecht einräumen.

Dabei hatte Tesla vergessen die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung der Kaufverträgen anzugeben. Das gibt Tesla – Käufern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit das Fahrzeug zurückzugeben und den vollen Kaufpreis zurückzuerhalten, ohne jeglichen Abzug für gefahrene Kilometer. (Urteil des LG Berlin vom 16.06.2023; Az. 38O111/23)

Wie und wann funktioniert das?

  1. Sie müssen das Fahrzeug als Privatmann (also Verbraucher) direkt von Tesla gekauft haben und nicht als Geschäftswagen.
  2. Der Kauf muss vor April 2023 liegen! Denn danach hat Tesla die Kaufverträge berichtigt.
  3. Sie müssen das Fahrzeug innerhalb der letzten 12 Monate und 14 Tage erhalten haben!
  4.  Der Kaufvertrag muss eine Widerrufsbelehrung enthalten, in der die Telefonnummer fehlt.

Angesicht des sehr hohen Wertverlustes von gebrauchten Tesla Fahrzeugen kann es wirtschaftlich interessant sein von einem Fachanwalt prüfen zu lassen ob man faktisch seinen neuen Tesla 12 Monate und 14 Tage kostenlos fahren konnte und dann gegen volle Erstattung des Kaufpreises das Fahrzeug an Tesla zurückgeben kann.

Wir prüfen das gerne für Sie und setzen ihre Ansprüche durch.

Was bedeutet das Neue Heizungsgesetz für Mieter und Vermieter?

Ab wann gilt es?

Das Neue Heizungsgesetz ist seit 8.9.2023 beschlossene Sache.

Es tritt am 1. Januar 2024 in Kraft.

Müssen Sie jetzt als Eigentümer bzw. Vermieter die bestehende Heizung austauschen?

Nein, es gibt keine Austauschplicht für bestehende Heizungen. Die neuen Regelungen gelten zunächst nur für Neubauten. Beispielsweise dürfen in Bestandswohnungen auch Defekte Gas- oder Ölheizungen weiterhin repariert werden. Holzheizungen bleiben ohnehin erlaubt.

Müssen sie als Mieter eine Mieterhöhung fürchten?

Das ist leider nicht auszuschließen. Vermieter können die Kosten für eine neue Heizung anteilig über eine Mieterhöhung auf die Mieter umlegen. Maximal, wenn der Vermieter staatliche Förderungen in Anspruch nimmt, um 10 % der Kosten, ohne staatliche Förderung 8% der Kosten. Insgesamt darf die Miete wegen des Heizungsaustauschs um nicht mehr als 50 Cent pro Quadratmeter erhöht werden. Kommen weitere Maßnahme zur Modernisierung der Mietsache hinzu, z.B Dämmung oder neue Fenster oder Ähnliches beträgt die Obergrenze 3 € pro Quadratmeter. Für Haushalte mit niedrigem Einkommen gibt es Härtefallregelungen.

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“

Als am 01.09.1948 die Ausarbeitung des Grundgesetzes begann, war das keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Dass diese Aussage zu einem Verfassungsgrundsatz wurde, der in unserem, am 23.05.1949 in Bonn unterzeichneten, Grundgesetz als Artikel 3 Abs. 2 GG enthalten ist, haben wir den „vier Müttern“ des Grundgesetzes, allen voran der Kasseler Juristin Elisabeth Selbert zu verdanken.

Im September 2023 jährt sich diese historische Errungenschaft zum 75. Mal.

Dieselskandal BGH – Grundsatzurteile vom 26.6.2023 zum Schadensersatz bei Thermofenstern

Der Presse und verschiedenen Fernsehberichten war bereits zu entnehmen, dass der Bundesgerichtshof, also das höchste deutsches Zivilgericht, wichtige neue Entscheidungen zum Dieselskandal gefällt hat.

BGH stärkt Recht von Dieselkunden“(tagesschau.de) war beispielsweise zu lesen, oder

Diesel – Kläger habe Anspruch auf Schadenersatz“ (so titelte die Bild-Zeitung).

Unser Fachanwalt für Verkehrsrecht und Dieselskandal-Experte, Herr Rechtsanwalt Michael Borik, der bereits im Dieselskandal 1.0, Hunderte von Gerichtsverfahren erfolgreich geführt hat, ordnet hier das neue Urteil des Bundesgerichtshofs und seine praktische Bedeutung für Besitzer eines Dieselfahrzeugs ein:

Frage: „Herr Borik, wird es jetzt für Dieselfahrer tatsächlich leichter, ihr Fahrzeug zurückzugeben und Schadensersatz zu bekommen?“

Antwort: „Ja und Nein, oder wie wir Juristen sagen: „Es kommt darauf an“.

Tatsächlich hat der BGH in seinen jetzigen Urteilen die Hürde für Dieselklagen erheblich gesenkt.

Vor den neuen Entscheidungen verlangte der BGH für einen Schadensersatz der Dieselkunden den Nachweis einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung durch den jeweiligen Motorhersteller. Dieser Nachweis war extrem schwer zu führen.“

Frage: „Was hat sich denn jetzt für den Dieselkunden geändert?“

Antwort: „Nach der jetzigen Rechtsprechungsänderung des BGH, welche auf das EuGH-Urteil vom 21. März 2023 zurückzuführen ist, genügt jetzt bereits ein fahrlässiges Handeln der Motorhersteller“.

Frage: „Und was bedeutet das konkret für den einzelnen Dieselfahrer?“

Antwort: „Wenn der Dieselkunde nachweisen kann, dass im Fahrzeug zumindest fahrlässig eine unzulässige Abschalteinrichtung (z.B. ein Thermofenster) verbaut wurde, kann der durch die Abgasmanipulation verursachte Vertrauensschaden als sogenannter „Differenzhypothesenschaden“ i. H. v. 5-15 % des ursprünglich gezahlten Kaufpreises geltend gemacht werden und der Kläger kann das Fahrzeug behalten.

Daraus ergibt sich aber leider kein Automatismus, d. h. nicht jeder Dieselfahrer kann jetzt einfach per se vom Hersteller oder vom Verkäufer Schadensersatz i. H. v. 5-15 % Schadensersatz verlangen.

Vielmehr müssen die Ansprüche in jedem Einzelfall geprüft werden. Der Beweis, dass im betroffenen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung – z.B. ein Thermofenster – verbaut ist, muss durch den Dieselkunden geführt werden.“

Frage: „Ist das nicht schon längst geklärt, dass z.B. das Thermofenster eine solche unzulässige Abschalteinrichtung ist?“

Antwort: „Nein, ganz so einfach ist es leider nicht. Die Motorhersteller können im Einzelfall versuchen nachzuweisen, dass die konkret verbaute Abschalteinrichtung ausnahmsweise zulässig war. Nach der Entscheidung des BGH kann ein Schadensersatzanspruch daher immer noch daran scheitern, dass es entweder an dem Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung oder an einem erforderlichen Verschulden des Herstellers fehlt.“

Frage: „Nehmen wir einmal an, die Abschalteinrichtung ist im konkreten Fall unzulässig und fahrlässiges Verhalten des Motorherstellers ist nachgewiesen, was bekommt der Dieselkunde dann vom Hersteller?“

Antwort: „Sollte ein Gericht im Einzelfall zu dem positiven Ergebnis kommen, dass ein Schadensersatz bei fahrlässigem Verhalten des Motorherstellers zu bejahen ist, kann das Fahrzeug nicht mehr wie beim Dieselskandal 1.0 zurückgegeben werden. Bei Thermofenster kommt allenfalls ein bestimmter Schadensersatzbetrag in Geld in Betracht.“

Frage: „Und wie hoch ist ein solcher Schadensersatz?“

Antwort: „Der BGH hat in seinen aktuellen Entscheidungen einen Betrag zwischen 5 und 15 % des gezahlten Kaufpreises genannt. Innerhalb dieser Bandbreite obliegt die genaue Feststellung dem Tatrichter, der sein Schätzungsermessen ausüben kann, ohne sich vorher sachverständig beraten lassen zu müssen. Auf den gerichtlich geschätzten Betrag muss sich der Dieselkunde noch die sogenannte „Nutzungsentschädigung“ für die Zeit anrechnen lassen, in welcher er das Fahrzeug genutzt hatte.“

Frage: „Können jetzt auch noch Dieselkunden klagen, die bisher nicht geklagt haben oder sind die Ansprüche alle schon verjährt?“

Antwort: „Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt so viele verschiedenen Fahrzeugmodelle und Dieselmotoren, dass jeder Fall einer genauen rechtlichen Analyse bedarf. Anwälte, die sich auf den „Abgasskandal“ spezialisieren, erkenne allerdings ziemlich schnell, ob und welche unzulässige Abschalteinrichtung das konkrete Fahrzeug des Dieselkunden eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist und wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass man dem Motorhersteller des betroffenen Fahrzeugs ein schuldhaftes Verhalten nachweisen kann“.

 

Vielen Dank für das Interview Herr Borik.

 

Wenn Sie eine Beratung von unserem Spezialisten Herrn Rechtsanwalt Michael Borik wünschen, benötigen wir zahlreiche technische Angaben zu Ihrem Dieselfahrzeug, insbesondere zum Fahrzeugmodell, zum Herstellungsjahr und der Erstzulassung etc.

Dazu ist es erforderlich, dass Sie zunächst unseren Fragebogen ausfüllen und an uns senden.

Klicken Sie dazu bitte jetzt oben rechts auf dieser Seite auf den gelben Button.

 

Dieser Beitrag wurde erstellt von Noah Kappus

 

 

Hohe Energiepreise bringen Vermieter und Mieter in Bedrängnis

Selbst wenn Sie als Mieter freiwillig an der warmen Dusche sparen, auf ein entspannendes Bad verzichten oder ihre Raumtemperatur im Wohnzimmer verzichten, ohne Warmwasseraufbereitung ist eine Wohnung auf Dauer praktisch unbewohnbar.

Darf der Vermieter die Heizung einfach abstellen, um Gas zu sparen?

Auf diese Frage hatte das Amtsgericht Frankfurt a. M. (Urteil vom 26.07.2022 – Az.: 33 C 2065/22) kürzlich eine eindeutige Antwort.

Ein Vermieter in Frankfurt am Main hatte im Juli 2022, aufgrund einer drohenden Preissteigerung, die Gasheizung des Hauses komplett abgestellt. Mit der Folge, dass die Mieterinnen plötzlich ganz unfreiwillig ohne jegliche Warmwasserversorgung auskommen mussten.

Hiergegen erwirkten die Klägerinnen eine einstweilige Verfügung vor dem Amtsgericht, woraufhin der Vermieter seinerseits Widerspruch gegen dieselbige einlegte. Er argumentierte damit, dass er die Mieterinnen vor einer unerwartet hohen Nebenkostenabrechnung schützen wolle. Das Amtsgericht konnte er mit diesem Argument nicht überzeugen.

Der Anspruch der Klägerinnen ergebe sich, so führt das Gericht aus, bereits aus dem geschlossenen Mietvertrag (§ 535 BGB). An der vertraglichen Verpflichtung des Vermieters, eine bewohnbare Wohnung zur Verfügung zu stellen, würde auch eine Preissteigerung nichts ändern.

Zudem hätten die Mieterinnen einen Abwehranspruch aus Besitz (§§ 861, 862 BGB). In der Unterbrechung der Warmwasserzufuhr sei eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht zu sehen. Dem Vermieter stünde es frei, künftig eine höhere Vorauszahlung zu verlangen, eine finanzielle Sicherung des Vermieters durch zwangsweises Drosseln bzw. Abschalten des Verbrauchs sei hingegen unzulässig.

 Dürfen Sie als Vermieter unterjährig die Vorauszahlungen anpassen?

Das  Amtsgericht musste in dem entschiedenen Fall dazu keine Stellung nehmen. In der Praxis ist das aber eine sehr aktuelle Frage!

Häufig erhalten wir in der täglichen Anwaltspraxis Anfragen wegen unterjähriger Anpassung der Vorauszahlungsraten durch den Vermieter, der diese mit extremen plötzlichen Energiepreissteigerungen begründet.

Ob Vermieter in solchen Situationen rechtmäßig handeln, ist gerichtlich noch nicht abschließend entschieden. Die juristische Fachliteratur (Zehelein NZM 16/2022, 593) zeigt weitgehend Verständnis für diese Handlungsoption von Vermietern, zumal diese ansonsten teilweise zur Vorfinanzierung der vom Mieter in jedem Fall letztlich zu tragenden Energiekostensteigerung Fremdkapital aufnehmen müssten.

Welche Optionen haben Sie als Mieter?

  • gegenüber dem Vermieter

Ungeachtet der rein rechtlichen Frage, ob und in welchem Umfang Vermieter einseitig vertragliche Vereinbarungen kurzfristig ändern dürfen, muss sich der Mieter seinerseits fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, sich komplett gegen eine unterjährige Erhöhung der Vorauszahlungen durch den Vermieter zu wehren. Denn Letztlich kommt das „dicke Ende“ mit der Jahresendabrechnung und ist dann in einem Betrag fällig.

Wir raten Ihnen daher: Gehen Sie frühzeitig auf ihren Vermieter zu und suchen Sie das Gespräch, um eine sinnvolle Einigung für beide Parteien zu finden. Meist liegt diese in einer zwar unterjährigen, aber moderaten Anpassung der Nebenkostenvorauszahlungen

  • gegenüber dem Gasversorger

Was wenn der Gasversorger die Preise erheblich erhöht?

Leider gibt es in diesen Fällen keine wirklich gute Handlungsoption.

  • Die Erhöhung kann nicht verhindert werden.
  • Sie haben ein Sonderkündigungsrecht gegenüber dem Energieversorger, aber das hilft im Ergebnis wenig, da bei einem Anbieterwechsel mit ähnlich hohen Energiepreisen zu rechnen ist.

Fazit: Was raten wir Ihnen?

Die Gesamtsituation ist für Mieter wie für Vermieter momentan auf Grund der hohen Energiepreise schwierig. Gerne würden wir Ihnen rechtliche Lösungen bieten, aber tatsächlich ist in dieser Ausnahmesituation eine menschliche Verständigung unter den Vertragsparteien vorzugswürdig. Das Recht an sich muss letztlich im Streitfall gerichtlich durchgesetzt werden können und allein die momentanen gerichtlichen Verfahrensdauern von 1 bis 1,5 Jahren bringen für Mieter wie für Vermieter nicht die erforderlichen schnellen Problemlösungen.

 Einzige Ausnahme sind einstweilige Verfügungsverfahren: Diese kommen aber nur in dringenden Eilfällen in Betracht, also beispielsweise im vom Amtsgericht Frankfurt a. M. entschiedenen Fall in Betracht oder wenn ihr Vermieter einen anderen, unzumutbaren „pfiffigen“ Energiesparplan umsetzen will, der Ihnen die Nutzung der Wohnung faktisch stark erschwert oder unmöglich macht.

Ihr Team der Kanzlei KAPPUS & BOHNE