Anwaltsblog für Arbeitsrecht in Frankfurt

Eine Abmahnung, Versetzung oder gar die Kündigung – schwierige Situationen für jeden Beschäftigten. Welche Folgen hat eine Abmahnung? Ist die Kündigung überhaupt wirksam? Ist die Kündigungsfrist eingehalten? Wie stehen die Chancen auf eine Abfindung?

Wir haben uns auf solche Fälle spezialisiert. Die Anwälte Kappus und Thedens sind auch Fachanwalt für Arbeitsrecht. Wir sind zur Stelle, wenn in der akuten Konfliktsituation Reaktion und Taktik gebraucht wird. Wir zeigen Ihnen ein konkretes Bild Ihrer Chancen und Risiken und kämpfen für Ihre Rechte am Arbeitsplatz.

Unsere Anwälte für Arbeitsrecht verfügen über umfangreiche Prozesserfahrung in allen Instanzen, vom Amts-, Land- und Oberlandesgerichten sowie Arbeitsgerichten bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht. Wir arbeiten gerne an der Lösung Ihres rechtlichen Problems.

Unsere Gebühren richten sich in der Regel nach dem für alle Anwälte gültigen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Wir treffen in Absprache mit Ihnen aber gerne auch individuelle Vereinbarungen im gesetzlich zulässigen Rahmen.

Unsere Leistungen im Arbeitsrecht

Gerne helfen wir bei folgenden Themen:

Die Bonussaison 2023 hat begonnen

Haben Sie Ihren Bonus für das Geschäftsjahr 2022 schon erhalten?

In der Regel zahlen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern den Bonus für das vergangene Geschäftsjahr innerhalb des ersten Quartals des neuen Jahres aus. Bis zu diesem Zeitpunkt steht meist das Geschäftsergebnis von Unternehmen und Banken fest und der Arbeitgeber konnte feststellen, inwieweit die Unternehmensziele und ggf. die persönlichen Ziele seiner Mitarbeiter erreicht wurden. Verläuft das Arbeitsverhältnis reibungslos, treten meist keine Probleme mit der Bonuszahlung auf. Erst wenn es zu Unstimmigkeiten oder Veränderungen kommt, der Arbeitnehmer zum Beispiel eine Eigenkündigung zur Mitte oder zum Ende des Geschäftsjahres ausgesprochen hat, erweist sich die Geltendmachung des Bonusanspruches oft alles andere als einfach.

Die zahlreichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Thema Bonus zeigen deutlich, dass Bonusstreitigkeiten äußerst komplex sind. Es gibt verschiedene Arten von Sonderzahlungen des Arbeitgebers und nicht immer handelt es sich hierbei um einen Bonus im klassischen Sinne. Bei der Geltendmachung des Anspruches gibt es zudem einige Fallstricke zu beachten.

Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick darüber, welche Arten von Bonusvereinbarungen es gibt und auf was Sie bei der Geltendmachung Ihres Bonusanspruches achten müssen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihnen ein Bonusanspruch zusteht oder nicht, kontaktieren Sie im Zweifelsfall aber lieber immer einen Fachanwalt für Arbeitsrecht!

Sonderzahlungen des Arbeitgebers

Hängt der Bonus nicht von der Erbringung eines bestimmten Erfolges ab, zählt er zu den sogenannten Sonderzahlungen des Arbeitgebers. Hierunter fallen alle Leistungen des Arbeitgebers, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt ausgezahlt werden, sondern aus bestimmten Anlässen oder zu bestimmten Terminen gewährt werden. Auch Gratifikationen, Weihnachtsgeld, Jubiläumsgeld und das 13. Monatsgehalt fallen hierunter. Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Sonderzahlung haben Sie nicht. Vielmehr kann sich ein solcher Anspruch aus arbeitsvertraglichen Reglungen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Eine Sonderzahlung kann Ihnen allerdings auch aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes oder einer betrieblichen Übung zustehen.

Sind im Arbeitsvertrag enthaltene Stichtagsklauseln wirksam?

Man kann bei den Sonderzahlungen zwischen Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter, Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter und Sonderzahlungen mit Mischcharakter unterscheiden. Um welche Art von Sonderzahlung es sich handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Will Ihr Arbeitgeber lediglich Ihre Betriebstreue belohnen, handelt es sich um eine Sonderzahlung ohne Entgeltcharakter (auch Sonderzahlung mit Bindungswirkung genannt). Erbringt Ihr Arbeitgeber die Sonderzahlung als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung handelt es sich um eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter. Sonderzahlungen mit Mischcharakter sind sowohl Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung als auch Belohnung der Betriebstreue.

Der Unterschied ist mit Blick auf die Wirksamkeit von im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen oftmals enthaltenen Stichtagsklauseln sehr wichtig. Mit einer Stichtagsklausel macht Ihr Arbeitgeber die Auszahlung einer Sonderzahlung davon abhängig, ob Ihr Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt noch bestanden oder sogar noch ungekündigt bestanden hat. In der Regel können Stichtagsklauseln nur wirksam für Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter vereinbart werden. Sobald eine Sonderzahlung auch für bereits erbrachte Arbeitsleistung gezahlt wird, ist die Stichtagsklausel nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig unwirksam.

Was gilt bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis?

Wenn Sie vor dem vereinbarten Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, haben Sie unter Umständen einen anteiligen Zahlungsanspruch auf den Bonus bzw. die Sonderzahlung.

Das gilt jedenfalls dann, wenn die Sonderzahlung zumindest auch als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gewährt wird. Waren Sie beispielsweise im Jahr 2022 noch bis Ende Juni für Ihr Unternehmen tätig und stellt sich der Bonus als Gegenleistung für erbrachte Arbeit dar, dürfte Ihnen ein anteiliger Bonusanspruch für sechs Monate zustehen. Soll mit der Sonderzahlung ausschließlich die Betriebstreue belohnt werden, besteht auch kein anteiliger Zahlungsanspruch.

Kann sich der Arbeitgeber auf die Freiwilligkeit der Leistung berufen?

 Ganz überwiegend wird die Auszahlung des Bonus oder einer anderen Sonderzahlung unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Oft fällt Arbeitnehmern erst bei Streitigkeiten über die Bonuszahlung auf, dass irgendwo in dem Arbeitsvertrag oder einer anderen Vereinbarung geregelt ist, dass der Arbeitgeber jedes Jahr neu und frei darüber entscheiden will, ob er einen Bonus auszahlt oder nicht. Durch den Freiwilligkeitsvorbehalt will der Arbeitgeber verhindern, dass ein Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung entsteht. Ob ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam ist oder nicht, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Entscheidend ist, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt und er transparent ist. Eine unangemessene Benachteiligung ist regelmäßig gegeben, wenn ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst. Wird dem Arbeitnehmer an einer Stelle des Arbeitsvertrages eine Sonderzahlung feste zugesagt und an einer anderen Stelle als freiwillig bezeichnet, handelt es sich in der Regel um eine widersprüchliche und damit unwirksame Klausel. Aber Achtung: Ein jeweils zum Zeitpunkt der Auszahlung erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt kann einen Anspruch auf eine künftige Sonderzahlung ggf. wirksam verhindern!

Steht die Bonuszahlung im Ermessen des Arbeitgebers?

In jüngster Zeit vereinbaren immer mehr Arbeitgeber einen Ermessensbonus anstatt den Bonusanspruch unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen. Der Vorteil eines Ermessensbonus gegenüber einer Bonusregelung mit Freiwilligkeitsvorbehalt liegt darin, dass er vergleichsweise rechtssicher vereinbart werden kann. Zudem kann der Arbeitgeber durch eine solche Regelung flexibel auf wirtschaftliche Schwankungen reagieren. Haben die Arbeitsvertragsparteien einen Ermessensbonus vereinbart, erhält der Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch, der in der konkreten Höhe noch unbestimmt ist. Die Ausübung der Leistungsbestimmung (= Bonusfestsetzung durch den Arbeitgeber) ist gerichtlich überprüfbar. Sind Kriterien für die Ermessensausübung vereinbart worden, muss sich der Arbeitgeber an diese halten. In Betracht kommen hierbei unter anderem die Bonushöhe der vergangenen Jahre, der Unternehmenserfolg, die persönlichen Leistungen des Arbeitnehmers, der Umfang der Leistungen an andere Arbeitnehmer oder der Umfang des Bonuspools. Kommt es zu einem Gerichtsprozess über die Frage, ob der Arbeitgeber sein Ermessen in Bezug auf die Bonusfestsetzung korrekt ausgeübt hat oder nicht, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht. Eine Ermessensreduzierung auf null ist in der Regel dann unbillig und damit nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer alle vereinbarten persönlichen Ziele erreicht hat.

Was gilt bei Zielbonusprogrammen?

Hängt die Gewährung eines Bonus von einem bestimmten Erfolg ab, zählt er zu den sogenannten variablen Vergütungsbestandteilen. Oft hängt die Bonuszahlung davon ab, dass innerhalb eines bestimmten Beurteilungsspielraums bestimmte Ziele erreicht werden. Die Ziele können sich dabei aus Unternehmenszielen und persönlichen Zielen zusammensetzen. Das muss aber nicht immer so sein. Soll der Arbeitnehmer lediglich am Unternehmenserfolg beteiligt werden, spricht man von einer Tantieme. Erhält der Mitarbeiter für eine erfolgreiche Vermittlung oder einen erfolgreichen Vertragsabschluss eine bestimmte Geldsumme, bezeichnet man das als Provision.

Zielbonusprogramme sind ein beliebtes Mittel, um Arbeitnehmer zu Bestleistungen zu motivieren. Soll für die Auszahlung des Bonus ein bestimmter Unternehmenserfolg maßgeblich sein, wird der Arbeitnehmer zu unternehmerischem Handeln angeregt. Soll der Arbeitnehmer zusätzlich auch bestimmte persönliche Ziele erreichen, wird er mit Blick auf die Bonuszahlung alles daransetzen, die Ziele zu erreichen.

Überdies sind Zielbonusprogramme meist mehrstufig gestaltet. Auf der ersten Stufe treffen die Parteien eine Rahmenvereinbarung. Die Rahmenvereinbarung ist häufig im Arbeitsvertrag selbst oder einer Betriebsvereinbarung enthalten. Sie regelt die allgemeinen Grundsätze des Bonusprogrammes. Hierzu zählen unter anderem die Art der festgelegten Ziele, das Verfahren für den Abschluss der Zielvereinbarung, der maßgebliche Beurteilungszeitraum, die Ermittlung der Bonushöhe, die Fälligkeit des Bonusanspruches usw. Zudem enthält die Rahmenvereinbarung manchmal auch Aussagen darüber, wer die Initiative für die Zielvereinbarung ergreifen muss und was bei unterlassener Initiative gilt.

Auf der zweiten Stufe legen die Parteien dann für die jeweilige Zielperiode die Ziele fest, die der Arbeitnehmer erreichen soll. Hier ist zunächst zu klären, ob eine Zielvereinbarung oder eine Zielvorgabe vorliegt. Bei einer Zielvereinbarung haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich über die zu erreichenden Ziele verhandelt. Demgegenüber liegt eine Zielvorgabe vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb der Grenzen seines Weisungsrechtes einseitig Ziele vorgegeben hat. Bei Zielvereinbarungen trägt der Arbeitnehmer in der Regel selbst das Risiko, dass er mit dem Arbeitgeber ggf. unrealistische Ziele vereinbart hat. Die Zielvorgabe des Arbeitgebers ist demgegenüber als einseitige Leistungsbestimmung einer allgemeinen Billigkeitskontrolle unterworfen und gerichtlich vollständig überprüfbar.

Achtung: Haben die Vertragsparteien für einen bestimmten Bezugszeitraum keinen oder erst verspätet Ziele festgelegt, obwohl der Arbeitgeber verpflichtet war, auf den Abschluss einer Zielvereinbarung/ eine Zielfestsetzung hinzuwirken, kommen ggf. Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers in Betracht.

Auf der dritten Stufe erfolgt schließlich die Zielbewertung für die jeweilige Zielperiode. Wie die Zielbewertung zu erfolgen hat, ergibt sich meist aus der Rahmenvereinbarung oder der Zielvereinbarung bzw. Zielvorgabe selbst. Es ist denkbar, dass alle Voraussetzungen für die Ermittlung der Bonushöhe abschließend geregelt sind. Dann wird der Arbeitgeber bei Erfüllung aller Voraussetzungen einen bestimmten Bonus auszahlen müssen.

Es ist aber auch denkbar, und im Geschäftsleben immer weiter verbreitet, dass sich der Arbeitgeber vorbehält, über die Bonushöhe nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der vereinbarten Ziele zu entscheiden. Dann handelt es sich um einen – bereits erwähnten – Ermessensbonus. Hier gelten die bereits aufgezeigten Grundsätze.

Was sollten Sie bei der Geltendmachung Ihres Bonusanspruches beachten?

Die meisten Arbeitsverträge enthalten zweistufige Ausschlussklauseln bzw. Verfallklauseln. Die Klauseln sehen meistens vor, dass Sie Ihren Bonusanspruch ab Fälligkeit innerhalb von drei Monaten zunächst gegenüber Ihrem Arbeitgeber geltend machen müssen (1. Stufe). Wenn Ihr Arbeitgeber Ihre Forderung ablehnt oder sich nicht äußert, haben Sie dann meistens weitere drei Monate Zeit, um den Anspruch einzuklagen (2.Stufe).

Viele Ausschlussklauseln waren in der Vergangenheit oft unwirksam. Allerdings haben die Arbeitgeber ihre Verträge mittlerweile angepasst. Es ist daher sehr wichtig, dass Sie Ihren Bonusanspruch innerhalb der vorgegebenen Fristen und am besten auch in der vorgegebenen Form geltend machen. Anderenfalls droht Ihnen der Verlust des Bonusanspruches! Für die Einhaltung der ersten Stufe ist es äußerst wichtig, dass Sie den Zeitpunkt der Fälligkeit des Bonusanspruches im Auge behalten, da Sie sich zum Fälligkeitszeitpunkt möglicherweise nicht mehr in dem Unternehmen befinden.

Die Geltendmachung des Bonusanspruches muss in der Regel schriftlich oder in Textform erfolgen. Mittlerweile darf zumindest in Arbeitsverträgen, die unter das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fallen, für die Geltendmachung des Bonusanspruches keine strengere Form als die Textform vorgesehen sein. Sie können den Bonusanspruch damit auch per E-Mail geltend machen. Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich aber, den Anspruch auch tatsächlich in der von dem Arbeitgeber vorgegebenen Form fristgemäß geltend zu machen.

Lehnt Ihr Arbeitgeber den Bonusanspruch ab oder äußert er sich nicht auf Ihr Schreiben, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den Bonus vor Gericht einzuklagen. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Arbeitgeber Ihren Bonusanspruch zu Recht oder Unrecht abgelehnt hat, kontaktieren Sie im Zweifelsfall unbedingt einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Wir helfen Ihnen gerne bei der Durchsetzung Ihrer Bonusansprüche weiter!

Teresa Baudis,

Rechtsanwältin  

Pia-Alexandra Kappus,

Fachanwältin für Arbeitsrecht, ADAC Vertragsanwältin

BAG stärkt Kündigungsschutz von Schwangeren

Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist sicherlich ein großer Schock. Allerdings besteht gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen ein absolutes Kündigungsverbot, welches alle Arten von Kündigungen des Arbeitgebers erfasst. Doch wann genau beginnt der Sonderkündigungsschutz für Schwangere? Maßgeblich ist der Zeitpunkt, ab dem die Schwangerschaft der Frau besteht.

Berechnung des Schwangerschaftsbeginns

Wenn Sie schwanger sind und feststellen wollen, ab wann in Ihrem Fall das gesetzliche Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen greift, müssen Sie auch weiterhin 280 Tage von dem ärztlich errechneten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückrechnen. Der voraussichtliche Entbindungstag ist dabei nicht mitzuzählen. Das gilt jedenfalls im Fall einer natürlichen Empfängnis. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) festgestellt und damit die ständige Rechtsprechung des zweiten Senats bestätigt. Das BAG stärkt mit seinem Urteil den Kündigungsschutz von Schwangeren. In der Vergangenheit vertraten immer mehr Gerichte die Auffassung, dass nicht auf den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft abzustellen sei, sondern auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer.

Der Fall: Streit über den Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns

Geklagt hatte eine seit dem 15.10.2020 beschäftigte hauswirtschaftliche Helferin. Mit ihrer Kündigungsschutzklage vom 12.11.2020 wehrte sich die Arbeitnehmerin gegen eine in der Probezeit ausgesprochene ordentliche Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Das vom 6.11.2020 stammende Kündigungsschreiben ging der Arbeitnehmerin am Folgetag, dem 7.11.2020 zu. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2.12.2020 teilte die Arbeitnehmerin dem Arbeitsgericht Heilbronn mit, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Das Unternehmen erfuhr von der Schwangerschaft jedoch erst am 7.12.2020, als ihm die Abschrift des anwaltlichen Schriftsatzes zugestellt wurde. Der Abschrift war eine Schwangerschaftsbestätigung vom 26.11.2020 beigefügt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens reichte die hauswirtschaftliche Helferin eine weitere Schwangerschaftsbescheinigung über den voraussichtlichen Geburtstermin am 5.8.2020 nach.

Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot von Schwangeren unwirksam sei. Zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges am 7.11.2020 sei sie bereits schwanger gewesen (nämlich seit dem 29.10.2020). Von der Schwangerschaft habe sie erst am 26.11.2020 Kenntnis gehabt. Danach habe sie ihre Arbeitgeberin auch unverzüglich über das Bestehen der Schwangerschaft unterrichtet. Das Unternehmen bestritt das Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges. Die Arbeitnehmerin hätte den Arbeitgeber außerdem schon früher über eine mögliche Schwangerschaft benachrichtigen müssen. Die verspätete Mitteilung sei auch nicht unverzüglich nachgeholt worden.

ArbG Heilbronn und LAG Baden-Württemberg: Durchschnittliche Schwangerschaftsdauer maßgeblich (Rückrechnung von 266 Tagen)

Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin scheiterte in den ersten beiden Instanzen. Sowohl das ArbG Heilbronn als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hielten die Kündigung für wirksam. Nach Auffassung der Vorinstanzen sei die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges nicht schwanger gewesen. Um den Beginn der Schwangerschaft zu ermitteln, müsse 266 Tage von dem ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückgerechnet werden. Bei der Rückrechnung sei nicht auf die äußerste zeitliche Grenze, sondern nur auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer abzustellen. Rechnet man ausgehend vom voraussichtlichen Entbindungstermin am 5.8.2021 um 266 Tage zurück, habe die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin am 12.11.2020 und damit erst vier Tage nach Zugang des Kündigungsschreibens begonnen.

BAG: Frühestmöglicher Zeitpunkt der Schwangerschaft maßgeblich (Rückrechnung von 280 Tagen)

Die Revision der Arbeitnehmerin vor dem BAG hatte Erfolg. Das BAG erteilte der Auffassung der Vorinstanzen, es sei für die Ermittlung des Schwangerschaftsbeginns auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 266 Tagen abzustellen, eine klare Absage. Der Zeitraum von 280 Tagen markiert nach Auffassung des BAG die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft bestehen kann. Es müsse vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft ausgegangen werden, um die Sicherheit und den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten. Eine Rückrechnung von lediglich 266 Tagen genügt nach Ansicht des BAG den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht.

Das in der EU-Mutterschutzrichtlinie vorgesehene Kündigungsverbot soll verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken kann. Auch wolle der deutsche Gesetzgeber Arbeitnehmerinnen und mittelbar deren Kinder vor wirtschaftlichen Existenzängsten und seelischen Zusatzbelastungen durch Kündigungsschutzprozesse schützen.

Unverschuldetes Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist von LAG Baden-Württemberg noch zu klären

Das BAG verwies die Sache zurück an das LAG Baden-Württemberg. Das LAG muss nun im fortgesetzten Berufungsverfahren klären, ob die Arbeitnehmerin unverschuldet die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG überschritten hat. Normalerweise muss eine bestehende Schwangerschaft dem Arbeitgeber – soweit er noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft hat – innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden. Wurde die Zwei-Wochen-Frist – wie vorliegend – überschritten, kommt es darauf an, ob die Fristüberschreitung unverschuldet erfolgte und die Mitteilung der Schwangerschaft unverzüglich nachgeholt wurde. Vorliegend wäre die Mitteilung der Arbeitnehmerin über das Bestehen ihrer Schwangerschaft noch unverzüglich nachgeholt worden, wenn sie tatsächlich erst am 26.11.2020 von ihrer Schwangerschaft wusste. Ob das der Fall war, muss nun das LAG Baden-Württemberg feststellen

FAZIT:

Dem Urteil des BAG vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) ist vollumfänglich zuzustimmen. Die Entscheidung wird dem unionsrechtlichen und verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von werdender Mutter und Kind gerecht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Arbeitnehmerinnenschutzes sind für die Berechnung des Schwangerschaftsbeginns auch Tage zu berücksichtigen, in denen das Vorliegen einer Schwangerschaft medizinisch eher unwahrscheinlich ist.

Praxistipp:

Arbeitnehmerinnen stellen sich immer wieder die Frage, wann der beste Zeitpunkt ist, ihren Arbeitgeber über eine bestehende Schwangerschaft zu informieren.

Zeitpunkt der Mitteilung bei reibungslosem Arbeitsverhältnis

Wenn das Arbeitsverhältnis reibungslos verläuft und keine Kündigung droht, empfiehlt es sich, den Arbeitgeber spätestens im Verlauf des zweiten oder letzten Schwangerschaftsdrittels über die Schwangerschaft zu unterrichten. Nur wenn der Arbeitgeber weiß, dass Sie schwanger sind, kann er auch Sorge dafür tragen, dass die mutterschutzrechtlichen Vorschriften (zum Beispiel Beschäftigungsverbote) eingehalten werden. Wenn absehbar ist, dass Sie zum Ende ihrer Schwangerschaft hin eine wichtige Aufgabe übernehmen sollen, bei der Sie nur schwer zu vertreten sind, dürften Sie unter Umständen sogar zu Beginn des zweiten Schwangerschaftsdrittels verpflichtet sein, den Arbeitgeber über Ihre Schwangerschaft zu informieren. Da es im ersten Schwangerschaftsdrittel relativ häufig zu Fehlgeburten kommt, dürfte eine vorherige Offenbarungspflicht hingegen in der Regel ausscheiden.

Zeitpunkt der Mitteilung bei drohender Kündigung

Sind Sie schwanger und zeichnet sich ab, dass Sie eine Kündigung bekommen werden, verhält sich die Situation anders. In diesem Fall sollten Sie Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, dass Sie schwanger sind. Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von Ihrer Schwangerschaft hat, kann er Ihnen für den Zeitraum der Schwangerschaft (und darüber hinaus auch bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung) nicht wirksam kündigen. Grundsätzlich ist die Mitteilung formlos möglich, allerdings muss auf Verlangen des Arbeitgebers ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Es liegt im Interesse beider Parteien, dass zumindest im weiteren Verlauf eine schriftliche Bescheinigung über die Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin vorgelegt wird, um Unklarheiten von vornherein zu vermeiden.

Was tun bei Kündigung während der Schwangerschaft?

Sollten Sie schwanger sein und bereits eine Kündigung erhalten haben, weil Ihr Arbeitgeber nicht wusste, dass Sie schwanger sind, gilt Folgendes:

Sie müssen Ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung nachträglich mitteilen. Es kommt hierbei nicht auf das rechtzeitige Absenden der Mitteilung, sondern auf den tatsächlichen Zugang beim Arbeitgeber an. Dabei muss sich aus der Mitteilung selbst entnehmen lassen, dass die Schwangerschaft schon bei Zugang der Kündigung bestand. Erfolgt die Mitteilung nicht fristgemäß, verlieren Sie unter Umständen Ihren Kündigungsschutz!

Der Kündigungsschutz geht nur dann auch bei Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist nicht verloren, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Sie müssen darstellen können, dass Sie das Überschreiten der Frist nicht zu verschulden haben.
  • Weiterhin müssen Sie den Zeitpunkt der Kenntniserlangung darlegen sowie darstellen können, dass die nachträgliche Mitteilung unverzüglich erfolgt ist.

Haben Sie aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses oder eines positiven Schwangerschaftstest positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft, so ist die unterlassene rechtzeitige Mitteilung in der Regel schuldhaft. Gleiches gilt, wenn zwingende Anhaltspunkte gegeben sind, die das Vorliegen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen.

Bei Zweifeln und Fragen über Ihren Kündigungsschutz während der Schwangerschaft, sprechen Sie uns gerne an.

Teresa Baudis

Ihr Team der Kanzlei Kappus und Bohne

Wurde Ihr Pflegebonus 2022 nicht ausgezahlt?

Das Bundesministerium für Gesundheit möchte Pflegekräfte in Deutschland für ihre herausragende Leistung während der Corona-Pandemie ihre Anerkennung für diesen Einsatz durch die Auszahlung eines Pflegebonus Ausdruck verleihen.

Daher können Sie als Pflegefachkraft den Pflegebonus beanspruchen, wenn Sie

  1. Im Jahr 2021 in einem Krankenhaus gearbeitet haben, das als besonders belastet gilt

Als besonders belastet gilt ein Krankenhaus, in dem im Jahr 2021 mehr als zehn Patientinnen und Patienten behandelt worden sind, die

  • mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert gewesen sind und
  • mehr als 48 Stunden beatmet worden sind.
  1. Sie im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen gearbeitet haben

 

Wie finde ich heraus, ob mein Krankenhaus besonders belastet war?

Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) hat auf Grundlage der übermittelten Daten der Krankenhäuser auf seiner Homepage eine Liste mit besonders belasteten Krankenhäusern im Sinne des § 26 e Abs. 1 KHG veröffentlicht.

Bekomme ich als Intensivpflegefachkraft einen erhöhten Pflegebonus?

Intensivpflegefachkräfte, die im Jahr 2021 für mindestens drei Monate in der Intensivpflege tätig waren, erhalten eine um den Faktor 1,5 erhöhte Prämie.

Haben Teilzeitbeschäftigte auch einen Anspruch auf den Pflegebonus?

Pflegefachkräfte, die im Jahr 2021 mindestens einen Tag in Teilzeit in dem Krankenhaus gearbeitet haben, erhalten eine anteilige Prämie, die in der Höhe dem Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zu der Arbeitszeit in Vollzeit entspricht.

Was passiert mit meinem Anspruch, wenn ich das Krankenhaus im Jahr 2021 gewechselt habe?

Ähnlich verhält es sich mit Pflegefachkräfte, die nicht im gesamten Jahr 2021 in dem Krankenhaus gearbeitet haben, da auch sie eine anteilige Auszahlung des Pflegebonus erhalten. Die Höhe des Pflegebonus entspricht dem Verhältnis der Dauer ihrer Beschäftigung in dem Krankenhaus zur Ganzjahresbeschäftigung.

Haben LeiharbeitnehmerInnen auch einen Anspruch auf den Pflegebonus?

LeiharbeitnehmerInnen haben einen Anspruch auf den Pflegebonus, wenn sie im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in einem anspruchsberechtigten Krankenhaus in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen beschäftigt gewesen sind. Sie müssen sich jedoch an ihren Arbeitgeber wenden, damit dieser sich mit dem jeweiligen Krankenhaus in Verbindung setzt.

 

Check-Liste für den Anspruch auf Pflegebonus:

  1. Steht Ihr Krankenhaus, indem Sie 2021 gearbeitet haben auf der veröffentlichten Liste des InEK?

 

  1. Haben Sie im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen im Krankenhaus gearbeitet?

 

 Beachten Sie die Besonderheiten für Intensivpflegefachkräfte, teilzeitbeschäftigte Pflegefachkräfte und LeiharbeitnehmerInnen.

 

Sollten Sie die beiden obenstehenden Fragen mit Ja beantworten können und trotzdem keinen Pflegebonus ausgezahlt bekommen haben, vereinbaren Sie mit unserer Expertin Frau Rechtsanwältin May einen Telefontermin. Sie wird Ihnen bei der Geltendmachung Ihres Anspruches weiterhelfen.

 

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin Arbeitsrecht

Welche Änderungen bringt 2023 für Arbeitnehmer *und Arbeitgeber?

Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung“    (Heraklit)

Die wichtigsten rechtlichen Veränderungen, welchen wir uns im Jahr 2023 werden stellen müssen, sind, soweit sie momentan bekannt sind, geprägt von den Herausforderungen des zu Ende gehenden Jahres 2022.

Dementsprechend spielen sich die meisten Neuerungen vor allem für Arbeitnehmer im Steuerrecht ab. So wird sich voraussichtlich der Werbungskostenabzug für das Arbeitszimmer ändern, was für Homeoffice Regelungen nicht unbedeutend ist. Hinzu kommt, dass die Homeoffice– Pauschale entfristet und auf 6 EUR pro Tag angehoben wird, maximal bis zu 210 Tage im Jahr.

Es wird Veränderungen beim steuerlichen Sonderausgabenabzug für Altersversorgungs-aufwendungen geben. Der Arbeitnehmerpauschbetrag angehoben werden, um nur einige steuerrechtliche Änderungen und Entlastungsmaßnahmen zu nennen.

Die obige Aufzählung steuerrechtlicher Änderungen, die sich im Arbeitsrecht auswirken können, erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Als Ihre Fachanwälte für Arbeitsrecht in Frankfurt am Main liegt unser Fokus auf dem Arbeitsrecht, steuerliche Aspekte und deren Auswirkung sollten immer von einem Steuerberater Ihres Vertrauens geprüft werden

Was jenseits von steuerlichen Entlastungen in 2023 für Arbeitnehmer*Innen und Arbeitgeber*Innen eine Rolle spielen wird, fassen wir Ihnen wie folgt in Stichpunkten zusammen:

 

I. Herausforderungen für Arbeitgeber:

  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung- Elektronische Abfrage durch Arbeitgeber

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist bisher bei vielen Generationen als „gelber Zettel“ bekannt, jedoch macht die Digitalisierung auch vor ihm nicht Halt.

Ab 1.1.2023 wird die digitale Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den behandelnden Arzt an die Krankenkasse des Arbeitnehmers verpflichtend eingeführt. Es sind dann nicht mehr die Beschäftigten, die die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Ihrer Krankenkasse und beim Arbeitgeber einreichen. Stattdessen erhalten die Krankenkassen die AU vom Arzt und leiten diese an den Arbeitgeber weiter. Für die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der eAU (elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) benötigen die Arbeitgeber in der Regel ein geprüftes Entgeltabrechnungsprogramm und eine elektronische Ausfüllhilfe oder ein systemgeprüftes Zeiterfassungsprogramm.

Die Meldepflicht der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber wird unverändert fortbestehen, jedoch wird zukünftig der Arbeitgeber telefonisch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers bei dessen Krankenkasse erfragen. Ein digitales Abfrageverfahren soll ab 01.07.2023 flächendeckend möglich sein.

Wir raten Ihnen aus beweisrechtlichen Gründen auch weiterhin von Ihrem Anspruch auf Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform Gebrauch zu machen.

 

  • Whistleblower Gesetz – Hinweisgeberschutzgesetz

Voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2023 tritt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft.

Das HinSchG soll den bislang lückenhaften und unzureichenden Schutz von hinweisgebenden Personen ausbauen und die EU-Richtlinie 2019/1937 in nationales Recht umsetzen. Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmer werden verpflichtet interne Meldestellen einzurichten. Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmer werden eine längere Übergangsfrist zur Einrichtung dieser internen Meldestellen erhalten. Es ist zu beachten, dass Unternehmen innerhalb von drei Monaten auf die Meldung reagieren müssen und dem Hinweisgeber eine Rückmeldung geben müssen.

Die „EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (2019/1937), die Mindestvorgaben für den Schutz von Hinweisgebern (sog. Whistleblowern) vorgibt, hätte bis zum 17.12.2021 in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Das deutsche Kabinett hat mit wenigen Änderungen den Entwurf des Bundeministerium für Justiz und Verbraucherschutz am 27.07.2022 beschlossen.

Das deutsche HinSchG hat den Anwendungsbereich der gemeldeten Verstöße der zu schützenden Personen weitergefasst als die EU-Richtlinie fordert.

In den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fallen folgende Verstöße:

  • Verstöße gegen Strafvorschriften
  • Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit sie dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient
  • alle Verstöße gegen Rechtvorschriften des Bundes und der Länder, sowie unmittelbar geltende EU-Rechtsakte in einer Vielzahl von verschiedenen Bereichen

 

  • Verpflichtende Arbeitszeiterfassung

Das EuGH- Urteil aus 2019, in welchem auch alle deutschen Arbeitgeber dazu verpflichtet werde ein objektives, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem für ihre Mitarbeiter* einzuführen. Bislang kam es noch nicht zu einer national- rechtlichen Gesetzesumsetzung dieser Vorgaben. Am 13. September hat aber das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Zeiterfassung in Deutschland verpflichtend ist.

Das wird für viele, vor allem kleinere, mittelständischen Betriebe und kleinere Arbeitgeber eine große Herausforderung. Eine genaue gesetzgeberische Vorgabe für die konkrete Umsetzung der Zeiterfassung gibt es noch nicht. Das Bundesarbeitsgericht will offenbar den Arbeitgebern einen möglichst weiten Umsetzungsspielraum zubilligen.

Wir werden Sie in diesem Blog über die weiteren Entwicklungen zur Arbeitszeiterfassung auf dem Laufenden halten .

 

  • Erinnerung an die Umsetzung des Nachweisgesetzes

Am 31. Juli 2022 sind die Änderungen im Nachweisgesetz in Kraft getreten

Sollten Sie als Arbeitgeber die neuen gesetzlichen Vorgaben noch nicht in Ihre Arbeitsverträge aufgenommen haben sollten Sie jetzt handeln.

 Bei Verstößen gegen das Nachweisgesetz drohen Geldbußen bis zu 2.000 €

Bitte beachten Sie dazu Folgendes:

  • Der Arbeitsvertrag muss deutlich mehr Angaben enthalten als zuvor. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Dauer der Probezeit, der festgelegten Ruhezeiten und Pausen und auch bezüglich der Auswirkungen einer Kündigung etc.
  •  Bei Auslandsaufenthalten von Mitarbeitern, die länger als 4 Wochen dauern bestehen erweiterte Dokumentationspflichten.
  •  Wichtige Inhalte des Arbeitsverhältnisses müssen dem Arbeitnehmer in Schriftform vorliegen. Das bedeutet, dass Mitteilungen per Mail nicht ausreichen, denn diese entsprechen nur der Textform.

 

II. Chancen und Risiken für Arbeitnehmer

 

  • Erhöhung des Mindestlohnes für Pflegekräfte

Die rund 1,2 Millionen Beschäftigte im Pflegebereich können sich auf einen höheren Stundenlohn freuen.

Ab 1.12.2023 sollen Pflegehilfskräfte 14,15 EUR pro Stunde erhalten, qualifizierte Hilfskräfte 15,25 EUR und Pflegefachkräfte 18,25 EUR.

Bereits ab 1.05.2023 erhalten Pflegehilfskräfte 13,90 EUR, qualifizierte Hilfskräfte 14,90 EUR und Pflegefachkräfte 17,65 EUR.

Außerdem erhalten Angestellte in der Altenpflege neun zusätzliche Urlaubstage in den Jahren 2023 und 2024.

 

  • Erhöhung des Midi-Jobs

Die obere Einkommensgrenze des Midi-Jobs (Übergangsbereich) wird ab 01.01.2023 auf 2.000,00 EUR monatlich angehoben.

Bei einem Midi-Job handelt es sich um ein Beschäftigungsverhältnis im Übergangsbereich, das bedeutet, dass der Arbeitnehmer mehr als 520,00 EUR und zukünftig weniger als 2.000,00 EUR verdient.

Der Arbeitnehmer zahlt verringerte Arbeitnehmerbeträge in die Sozialversicherung und erwirbt trotzdem die vollen Rentenansprüche. Außerhalb der Steuerklassen V und VI zahlt der Midi-Jobber keine Lohnsteuer. Zudem erwerben Midi-Jobber einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und sind kranken- und pflegeversichert.

 

  • Erstattung von Weiterbildungskosten während der Kurzarbeit

Die Erstattung von Weiterbildungskosten während der Kurzarbeit läuft vermutlich zum 31.07.2023 aus.

Seit 2021 gilt das neue Beschäftigungssicherungsgesetz, das die Förderung von Fortbildungen während der Kurzarbeit neu regelt und weitere Anreize schafft, die Zeit der Kurzarbeit für Qualifizierungen zu nutzen. Von der Förderung der Weiterbildungskosten können alle Arbeitnehmer, die im Zeitraum vom 01.02.2021 bis zum 31.07.2023 Kurzarbeitergeld beziehen, profitieren.

 

Wenn Sie zu den einzelnen Punkten Rückfragen haben, sprechen Sie uns gerne an:

Wir haben keine Angst vor Veränderungen wir gestalten sie mit.

 

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht

—————————————————————————————————————

*bei Geschlechterbezeichnungen ist stets m/w/d gemeint

Das neue Nachweisgesetz – Was ändert sich?

Kaum eine Gesetzesänderung ist in der Arbeitsrechtswelt derzeit präsenter und schneller durch den Gesetzgeber umgesetzt worden, als die Änderung des Nachweisgesetzes.

 

Die Schnelligkeit des Gesetzgebers ist kein Zufall, da die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (2019/1152, sog. Arbeitsbedingungsrichtlinie) am 31.07.2022 abgelaufen ist. Aus diesem Grund hat der Bundestag am 23. Juni 2022 in seiner zweiten und dritten Lesung die Neuerungen des Nachweisgesetztes verabschiedet, welche zum 01.08.2022 in Kraft getreten sind.

 

Die EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (2019/1152, sog. Arbeitsbedingungsrichtlinie) verfolgt das Ziel einer einheitlichen Unterrichtung der Arbeitnehmer über die wesentlichen Aspekten ihres Arbeitsverhältnisses. Hierdurch soll eine transparente und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert werden und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet werden.

 

Folgende Arbeitsbedingungen müssen künftig zusätzlich zu den bereits jetzt in § 2 NachweisG genannten Vertragsbedingungen aufgenommen werden:

  • der vertragliche Beginn und das konkrete Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen
  • die Möglichkeit, dass die Mitarbeiter ihren jeweiligen Arbeitsort frei wählen können, sofern vereinbart
  • die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart
  • die Vergütung von Überstunden
  • die Fälligkeit des Arbeitsentgeltes und die Form, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird
  • die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderung
  • Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf, falls diese vereinbart ist
  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
  • im Grundsatz: Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung, falls eine solche gewährt wird
  • das bei Kündigung einzuhaltende Verfahren, zumindest das Schriftformerfordernis, die Kündigungsfrist und die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
  • ein Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen

Eine der neuen Besonderheiten für Arbeitgeber ist in jedem Fall darin zusehen, dass der Arbeitgeber nun seinen Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung/Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hinsichtlich des Wortlautes Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses herrscht in den Fachkreisen ein anhaltender Meinungsstreit, da die deutsche Sprachfassung der Richtlinie mit der Verwendung des Begriffs „Kündigung“ wohl zu eng gefasst ist, da in den meisten anderen Sprachen von dem unspezifischen Begriff „Beendigung“ die Rede ist.

 

Eine der tiefgreifendste Besonderheit der Neuerung für Arbeitgeber wird sein, dass gemäß § 4 NachwG die nicht erfolgte, nicht richtige oder nicht vollständige Unterrichtung eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit einem Bußgeld bis zu 2.000,00 EUR geahndet werden kann.

 

Die absurdeste Regelung der Neuerung des Nachweisgesetzes kann vermutlich darin gesehen werden, dass weiterhin am Schriftformerfordernis festgehalten wird und dadurch die elektronische Form ausgeschlossen ist. Im digitalen Zeitalter ist die antike Forderung von handschriftlich unterschriebenen Arbeitsverträgen nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich hätte die Textform auch durch Übermittlung per E-Mail gewahrt werden können, jedoch hat sich der deutsche Gesetzgeber im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaat explizit gegen diese Möglichkeit entschieden.

 

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Schriftformerfordernis für den gesamten Arbeitsvertrag nur besteht, wenn der Arbeitgeber sich dazu entschieden hat, die vom Nachweisgesetz geforderten Informationen in den Arbeitsvertrag zu integrieren. Abweichend hiervon können Arbeitsverträge weiterhin digital mittels elektronischer Signatur abgeschlossen werden, wenn der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen separat vom Arbeitsvertrag dargestellt wird. Die strenge Schriftform gilt nur das Dokument, mit dem die Nachweispflicht erfüllt wird.

 

Bei weiteren Fragen und Anliegen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit sehr gerne zur Verfügung.

Eilentscheidung des Arbeitsgerichts Gießen zum Beschäftigungsanspruch von ungeimpften Pflegekräften

Das Arbeitsgericht Gießen hat in einer Eilentscheidung vom 12.04.2022, Az.: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22  klargestellt, dass ein Arbeitgeber im Pflegebereich, auch schon vor einer Entscheidung des Gesundheitsamtes, Beschäftigte von der Arbeitsleistung freistellen darf, wenn diese keinen Nachweis einer Coronaimpfung oder alternativ keinen Genesenennachweis vorlegen.

Im konkreten Fall ging es um eine Pflegeinrichtung von Senioren. Die Kläger sind von ihrem Arbeitgeber mit Wirkung ab dem 16.03.2022 ohne Fortzahlung der Vergütung freigestellt worden, weil sie weder den Impfnachweis, noch einen Genesenennachweis vorlegen konnten. Sie beantragten im Wege der einstweiligen Verfügung ihre vertragsgemäße Beschäftigung in dem Seniorenheim. Das Arbeitsgericht Gießen hat diesen Antrag abgewiesen.

Die Besonderheit ist, dass der Arbeitgeber im vorliegenden Fall noch nicht einmal die Entscheidung des Gesundheitsamtes über ein Beschäftigungsverbot abgewartet hat. Er hat die Beschäftigten schon vor einer Entscheidung des Gesundheitsamtes die Beschäftigten freigestellt.

Das Arbeitsgericht sieht das als zulässig an. Dem Arbeitgeber stehe es im Rahmen des § 20a IfSG im Rahmen des billigen Ermessens frei, im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Bewohnerinnen und Bewohner eines Seniorenheims, ungeimpfte Beschäftigte von der Arbeitsleistung freizustellen.

Allerdings muss man wissen, dass das Arbeitsgericht nicht über die Frage der Fortzahlung des Arbeitsentgeltes während der Freistellung entschieden hat. Dies war nicht Gegenstand der einstweiligen Verfügung.

Mit dieser Entscheidung ist also noch nicht geklärt, ob der Arbeitgeber jedenfalls in der Freistellungszeit bis zur Entscheidung des Gesundheitsamtes über ein Beschäftigungsverbot den Lohn während der Freistellung möglicherweise zahlen muss. Diese Frage ist offengeblieben.

Wenn Sie Fragen im Zusammenhang mit Coronamaßnahmen am Arbeitsplatz haben, melden Sie sich gerne bei uns.

Zusammenfassung des Urteils des AG Darmstadt vom 09.11.2021 (9 Ca 163/21)

In einem bemerkenswerten Fall aus dem vergangenen Jahr entschied das AG Darmstadt über eine Kündigung im Zusammenhang mit der Leugnung der Covid-19-Pandemie und der Verächtlichmachung der Schutzmaßnahmen von Seiten einer Lehrkraft. Das Gericht wies die Kündigungsschutzklage der Lehrkraft ab.

Zum Sachverhalt

Der 64 Jahre alte Kläger war seit 2006 als Berufsschullehrer tätig. Seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 fiel er wiederholt mit Missachtung der geltenden Schutzmaßnahmen und unangemessenen Äußerungen bezüglich der Pandemie auf. Daraufhin folgte von Seiten des Schulamts im November 2020 die Abmahnung. Trotz dessen trug der Arbeitnehmer unteranderem wiederholt die Maske unterhalb der Nase oder bezeichnete diese als nutzlos. Des Weiteren unterließ er trotz Vorschrift das regelmäßige Lüften des Klassenraumes und bezeichnete gegenüber seinen Schülern die Covid-19 Pandemie wiederholt als Lüge und zog ebenfalls vergleiche zur Nazidiktatur. Zunächst kündigte ihm sein Arbeitgeber zwar fristlos, nahm die Kündigung allerdings nach Einigung wieder zurück und kündigte ihm daraufhin ordentlich zum Jahresende.

 

Entscheidungsgründe des Gerichts

Das AG wies die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ab. Der Arbeitnehmer habe wiederholt keine Einsicht gezeigt die geltenden Schutzvorschriften umzusetzen und bei einer Rückkehr an seinen Arbeitsplatz sei mit keinem verändernden Verhalten zu rechnen gewesen. Der Arbeitgeber habe in diesem Fall ein solches Verhalten des Arbeitnehmers, trotz dessen, dass dieser sich auf seine Meinungsfreiheit berufe, nicht hinzunehmen.

 

Praxis und Fazit

In einem ähnlichen Fall entschied das LAG Brandenburg (07.10.21, 10 Sa 867/21) sogar auf Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung, da die Lehrkraft beharrlich das Tragen einer Schutzmaske ablehnte. Folglich muss der Arbeitgeber in vergleichbaren Situationen nicht die Uneinsichtigkeit seiner Arbeitnehmer hinnehmen und hat das Recht den betreffenden Arbeitnehmer zu kündigen.

Wann kann ich als Praktikant Mindestlohn verlangen?

Mindestlohn im Praktikum ist eine problematische Angelegenheit für beide Seiten des Arbeitsverhältnisses. Zum einen will der Arbeitgeber nicht viel Geld in einen Mitarbeiter investieren, der voraussichtlich nicht lange im Unternehmen bleiben wird und der im geschäftlichen Alltag
– realistisch betrachtet – nicht denselben Mehrwert schaffen wird, wie ein fest angestellter Mitarbeiter. Auf der anderen Seite haben Praktikant:innen natürlich ein Recht auf eine faire Entlohnung. Dies vor allem dann, wenn Sie das Praktikum für ihren weiteren beruflichen Werdegang absolvieren müssen und aus diesem Grund nicht etwa als Aushilfskraft arbeiten können, wo Ihnen der Mindestlohn gezahlt werden müsste. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) in Erfurt klärt eine Frage, deren Beantwortung aus dem Gesetz nicht eindeutig hervorgeht. Das Urteil ist vom 19.01.2022 und läuft unter dem Az. 5 AZR 217/21.

 

Wie ist die Rechtslage?

Der Anspruch auf Mindestlohn ergibt sich aus den Normen des Mindestlohngesetzes (MiLoG). In § 22 MiLoG wird der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes definiert. Jeder, der diesem unterfällt, kann gegen seinen Arbeitgeber den Anspruch auf den entsprechenden Mindestlohn, der derzeit bei 9,82 € liegt, geltend machen. Darunter fallen dem Grundsatz nach auch Praktikanten. Die Frage, wie der persönliche Anwendungsbereich im Einzelfall genau aussieht, wird Ende des Jahres dann noch interessanter werden, wenn der Mindestlohn sprunghaft auf 12,- € pro Stunde ansteigen wird. In § 22 Abs. 1 S. 1 MiLoG sind vier auf Praktikant:innen bezogene Ausnahmetatbestände normiert. Ist einer von diesen erfüllt, hat der/die jeweilige Praktikant/Praktikantin entgegen dem Grundsatz, dass Praktika mit Mindestlohn zu entlohnen sind, keinen Anspruch auf eine Bezahlung in Höhe des Mindestlohns.

 

Was macht den aktuell entschiedenen Sachverhalt besonders?

Im aktuellen Fall, der vom BAG entschieden werden musste, war die Klägerin sechs Monate mit einer Wochenarbeitszeit von 38,75 Stunden als Praktikantin im Krankenhaus der Beklagten angestellt. Dazu war es gekommen, weil ein solches sechsmonatiges Praktikum eine Zulassungsvoraussetzung zu der von der Klägerin gewählten Privatuniversität war, um sich für den Studiengang Humanmedizin einschreiben zu können. Im Vertrag, der die Praktikumstelle regelte, war keine Bezahlung vorgesehen. Mit der Klage machte die Klägerin rund 10.000 € Bezahlung geltend. Dieser Betrag hätte dem Mindestlohn entsprochen.

Zwar ist in Nr. 1 des in § 22 Abs. 1 S. 1 befindlichen Katalogs geregelt, dass verpflichtende Praktika, die aufgrund einer hochschulrechtlichen Bestimmung abgeleistet werden müssen, nicht mit Mindestlohn vergütet werden müssen. Dies betrifft jedoch nach dem unmittelbaren Wortlaut nur solche Praktika, die während eines Studiums oder einer ähnlichen Berufsausbildung vollbracht werden. Hier ging es aber um ein Praktikum als Zulassungsvoraussetzung, das vor dem eigentlichen Studiengang stattfand. Die Frage, ob für ein solches Mindestlohn gezahlt werden muss, war vom BAG zu entscheiden. Die Klage war sowohl vom Arbeitsgericht in der ersten Instanz, als auch vom Landesarbeitsgericht in der Berufungsinstanz abgewiesen worden.

 

Wie hat das BAG entschieden?

Durch das Urteil des BAG wurden die vorangegangen Entscheidungen bestätigt. Damit wurde die Klage endgültig abgewiesen. Das BAG war demnach der Ansicht, dass von dem Ausnahmetabestand auch solche Praktika erfasst werden, die nicht während, sondern bereits vor dem Studium absolviert werden. Einziges Kriterium sei, dass es sich um ein Pflichtpraktikum auf Grundlage der gegebenen Hochschulbestimmungen handeln muss. Dies sei in der Gesetzesbegründung so vorgesehen und entspreche somit dem Willen des Gesetzgebers. Dass die Universität privat getragen war, spielte letztlich keine Rolle, da es sich hier um eine staatlich anerkannte Privatuniversität handelte. Somit war die zum Praktikum verpflichtende Regelung im Wesentlichen der einer öffentlich-rechtlichen gleichgestellt.

 

Fazit:

Grundsätzlich sind Praktika mit Mindestlohn zu entlohnen.

Im vorliegenden Fall greift allerdings eine der vier Ausnahmen des § 22 MiLoG.

Wer ein Pflichtpraktikum absolvieren muss, um sich für seinen Studiengang oder für das Weiterkommen in diesem zu qualifizieren, wird in den sauren Apfel beißen und auf den Mindestlohn verzichten müssen. Nach der BAG-Ansicht bestehen davon keinerlei Ausnahmen.

Sollten Sie Fragen zu Ihrem Praktikumsplatz oder zum Thema Mindestlohn allgemein haben, kontaktieren Sie uns gerne. Wir prüfen Ihren Fall im Rahmen der Erstberatung.

 

 

Jan-Niklas Hüttmann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Reduzierter Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null

Nach einem Urteil des LAG Düsseldorf vom 12.03.2021 Aktenzeichen 6 Sa 824/20 soll in der Zeit, in der Kurzarbeit Null angeordnet ist, auch kein Urlaubsanspruch entstehen.

Nach der Auffassung des LAG Düsseldorf, über die allerdings noch nicht rechtskräftig vom Bundesarbeitsgericht entschieden ist, soll für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null, der dem Arbeitnehmer an sich zustehende Urlaub um 1/12tel gekürzt werden.

Fallkonstellation:

Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, bei dem die Klägerin, in einem Betrieb der Systemgastronomie in Teilzeit beschäftigt ist. Arbeitsvertraglich stand ihr pro Jahr ein Urlaubsanspruch von 28 Werktagen zu, umgerechnet auf ihre Teilzeit, 14 Arbeitstage. In Folge der Corona-Pandemie befand sich die Klägerin von April bis Dezember wiederholt in Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand die Kurzarbeit Null durchgehend. Im August und September 2020 hatte die Klägerin 11,5 Arbeitstage Urlaub. Die Parteien haben über den Umfang des Urlaubsanspruchs gestritten. Die Klägerin ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Schließlich sei die Kurzarbeit nicht auf ihren Wunsch erfolgt, sondern im Interesse der Arbeitgeberin.

Außerdem, so argumentierte die Arbeitnehmerin und Klägerin, sei Kurzarbeit auch keine Freizeit, denn der Arbeitnehmer unterliege Meldepflichten und der Arbeitgeber könne die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden. Es fehle an einer Planbarkeit der freien Zeit. Die Klägerin hatte daher vom Arbeitsgericht Düsseldorf und dann in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht feststellen lassen wollen, dass ihr Urlaub für das Jahr 2020 ungekürzt im Umfang von 14 Arbeitstagen bestehe. Die Arbeitgeberin hatte sich dagegen gewehrt, insbesondere mit der Begründung, dass mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null auch keine Urlaubsansprüche entstehen könnten. Der Urlaub sei daher entsprechend anteilig zu kürzen.

Das Landesarbeitsgericht hat der Arbeitgeberin Recht gegeben und  sich dabei auf Europäisches Recht berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entstehe während Kurzarbeit Null der Mindesturlaubsanspruch aus Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht.

In der Tat ist es so, dass die deutschen Regelungen keine günstigere Regelung für Kurzarbeit enthalten, als die entsprechende Richtlinie.

Das Landesarbeitsgericht ist insbesondere der Argumentation der Arbeitgeberin gefolgt, dass Kurzarbeit nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen sei und während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben seien, so dass auch kein Urlaubsanspruch entstehe.

Das Landesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmerin für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null der Urlaub um 1/12tel zu kürzen sei.

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Darf der Arbeitgeber das Tragen einer Maske in der Arbeitszeit anordnen?

Das Arbeitsgericht Siegburg hatte bereits Ende letzten Jahres einen Fall zu entscheiden bei dem ein Arbeitnehmer sich dagegen wehrte auf seinem Arbeitsplatz eine Mund-und-Nasebedeckung zu tragen, obwohl der Arbeitgeber dies sowohl für seine eigenen Beschäftigten als auch für Besucher zwingend angeordnet hatte.

Der Arbeitnehmer legte zwei Atteste vor, die ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht und dem Gesichtsvisier befreiten. Ohne Gesichtsabdeckung wollte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer allerdings nicht beschäftigten. Der Arbeitnehmer klagte dagegen und verlor.

Das Gericht hatte bereits Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste, weil diese keinerlei Begründung enthielten, warum eine Maske nicht getragen werden könne. Darüber hinaus bestätigte das Gericht, dass das Interesse des Arbeitgebers einen Infektionsschutz aller seiner Mitarbeiter und der Besucher sicherzustellen gegenüber dem persönlichen Interesse eines Arbeitsnehmers ohne Gesichtsvisier oder Mund-und-Naseabdeckung arbeiten zu können überwiege.

Das Arbeiten mit Maske sei zumutbar und das Interesse einen eigenen persönlichen Vorteil erwirken zu wollen durch eine ärztliche Bescheinigung, die noch dazu inhaltslos ist, muss hinter dem Infektionsschutzinteresse und der Sicherheit der anderen Mitarbeiter und Besucher zurücktreten. Interessant ist, dass das Arbeitsgericht auch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz sozusagen als milderes Mittel verneint hat.

Jedenfalls der letzte Punkt, nämlich die Frage, ob der Arbeitnehmer einen Homeoffice-Arbeitsplatz beanspruchen kann in solchen Fällen. dürfte von den Arbeitsgerichten dann anderes beurteilt werden, wenn das ärztliche Attest eine Begründung enthält. Der Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers ist dann gegen den Gesundheitsschutz der anderen Mitarbeiter und Besucher beim Arbeitgeber abzuwägen und wenn eine gesundheitliche Gefährdung des Arbeitsnehmers mit einer Begründung durch einen Arzt attestiert ist, dann wird man gute Chancen haben, zumindest als betroffener Arbeitnehmer einen Homeoffice-Arbeitsplatz beanspruchen zu können.

Sollte sich diese Frage bei Ihnen stellen, kontaktieren Sie einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Wir helfen Ihnen gerne.

Pia-Alexandra Kappus

(Fachanwältin für Arbeitsrecht)